Die Zwillinge – vom Kasbach in die große Radsportwelt


Zwei, die sich blind verstehen - Christina und Kathrin Schweinberger / Tirol Werbung Ein gesundes Frühstück am elterlichen Hof / Tirol Werbung Hart verdiente Prämien für den Doppelsieg in Salzburg / GEPA

Feste soll, nein muss man feiern, wie sie fallen – was im Sport oder bei Sportlern ja nicht immer sehr einfach mit Training oder Veranstaltungen zu vereinbaren ist. Diesbezüglich hatten die Radzwillinge vom Kasbach heuer einen kleinen Vorteil – weil der Geburtstag von Kathrin und Christina Schweinberger praktisch mit dem Saisonfinale bei den Damen zusammengefallen ist. Und so stieg zwischen Flandern-Rundfahrt, der österreichischen Omnium-Meisterschaft und der Challenge de la Vuelta, in der Christina engagiert war, eine kleine Party zum 24er.

Mit gerade einmal 20, vor vier Jahren also, hatten sie die Koffer sowie Räder gepackt, waren aufgebrochen, um die Radsportwelt zu erobern, waren dem Angebot des belgischen Profiteams Doltcini-van Eyck Sport gefolgt und damit eingetaucht in eine faszinierende Szene. Ein volles Programm mit 30 bis 40 Rennen hätte das Jahr 2020 bringen sollen, mit Corona hatte da noch niemand gerechnet.

Es hagelte Absagen, also galt es zu improvisieren und recht schnell hatten sich die Zwillinge auch damit abgefunden, dass im österreichischen WM-Team für die nach Imola verlegte WM kein Platz war. „Das konnten wir leider nicht beeinflussen“, so Kathrin, die aber im selben Atemzug hinzufügte: „Sich darüber aufzuregen nützt nichts, es gibt ja genügend andere Rennen, auf die wir uns schon sehr freuen – die Klassiker in Belgien wie Gent-Wevelgem oder die Flandern-Rundfahrt.“

Vor allem diesen Termin hatten sich Kathrin und Christina (studiert Wirtschaftsrecht) ganz dick im Kalender angestrichen – den 18. Oktober 2020. „Das ist eine Veranstaltung, die in Belgien einen ähnlichen Stellenwert wie bei uns das Hahnenkammrennen in Kitzbühel hat oder der Holmenkollen in Norwegen“, schwärmten die zwei ganz aufgeregt. „Ein Volksfest des Radsports in Belgien!“

Es waren schwere Rennen, keine Frage, nicht nur witterungsbedingt, speziell die Konkurrenz in diesen Klassikern repräsentierte das Who’s Who des Damenrennsports. Die Flandern-Rundfahrt beendete Christina auf Rang 68, rund 50 Athletinnen waren vorzeitig vom Rad gestiegen. Bei Gent-Wevelgem kamen die Twins mit zehn Minuten Rückstand auf die belgische Siegerin Jolien Dhoore ins Ziel; vollgepackt mit faszinierenden Eindrücken und der Erkenntnis, dass es noch ein beschwerlicher Weg werden würde, um die im Hinterkopf natürlich jetzt schon vorhandenen und von den Erwartungen her hoch angesiedelten Ziele für die kommenden Jahre auch zu erreichen. Nebst der Weltmeisterschaft 2021 in Belgien (sozusagen eine Art Heim-Titelkampf) natürlich auch Olympia in Tokio. Logisch, denn den bisher einzigen Quotenplatz für Österreich hatte Kathrin (Mitglied der HSNS) herausgefahren, der aber vorerst noch nicht die Teilnahme garantierte.

Abseits der Straße blieb der Aufstieg bzw. Wechsel in ein World-Tour-Team im Fokus, dafür wurde weiter intensiv gearbeitet, dafür wollen die Tirolerinnen in der Doltcini-van-Eyck-Truppe 2021 wertvolle Rennerfahrung sammeln und selbstverständlich auch den einen oder anderen Erfolg herausfahren.

Dieser Blick nach vorne ist signifikant für die Mädels, die schon von klein auf vieles gemeinsam machten, später dann bis 2010 im Tiroler Skikader fuhren, ehe die Liebe zum Radsport keimte. Ein Nachbar brachte sie zum Radclub Tirol, heute schwärmen Kathrin und Christina gemeinsam: „Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können!“

Dass sie jederzeit für Topleistungen gut sind, demonstrierten Kathrin und Christina im August, als sie quasi dank Medaillen eine glänzende Vorstellung ablieferten. Da eroberte Christina bei den österreichischen Meisterschaften im Zeitfahren Bronze, Kathrin holte im Burgenland sogar Gold im Straßenrennen.

Ein eindrucksvolles Dankeschön für den wenige Tage zuvor erhaltenen Vertrauensvorschuss durch die Verantwortlichen ihres belgischen Profiteams. Denn im Zillertal, im heimelig-gemütlichen Ambiente des Hotels Kohlerhof in Fügen, hatten Kathrin und Christina mit Shana van Glabeke, Managerin von Doltcini van Eyck Sport, am Ende des zehntätigen Trainingslagers ihre Verträge um ein weiteres Jahr verlängert.

Irgendwie ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung – von Seiten des Teams, weil die Belgier das Potenzial von Kathrin und Christina wohl erkannt haben und vice versa, weil sich das Schweinberger-Duo (als Vertreterinnen der kleinen deutschsprachigen Fraktion) im Kader des belgischen UCI-Continental-Teams mittlerweile heimisch fühlt. „Wir verstehen uns wirklich sehr gut, da haben alle dasselbe Ziel vor Augen, alle wollen Erfolg und gemeinsam können wir das auch schaffen“, so Christina.

Dieses Sich-Wohlfühlen ist den jungen Profis aus Tirol – aufgewachsen auf einem Bauernhof am Kasbach, mitten drin zwischen Jenbach und dem Achensee, ein Ort, den man auf Anhieb ins Herz schließt – ganz wichtig. Ungeachtet dessen sind die Mädels ohnehin, so oft es der Terminkalender erlaubt, zuhause am Hof, inmitten einer faszinierenden Natur. Denn diese war nicht nur in Zeiten des Lockdowns der perfekte Rückzugsort, zum Abschalten, um die Batterien aufzuladen.

Weil es zu Hause eben doch am Schönsten ist, war für Kathrin und Christina das Angebot aus dem Zillertal, das Trainingslager in Fügen zu absolvieren, wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk gekommen. „Wir vom Hotel Kohlerhof“, so Juniorchefin Daniela Heim, „pflegen schon seit vielen Jahren eine Sponsorenpartnerschaft mit den Schweinbergers, also haben wir angeboten, das Trainingslager bei uns abzuhalten.“ Da fiel dann auch Doltcini-Teamchef Marc Bracke die Entscheidung zugunsten des Zillertals nicht mehr sehr schwer. Sehr zur Freude seines Teams mit insgesamt 17 jungen Damen aus acht Nationen, die es aufgrund vieler Erzählungen der Radzwillinge gar nicht erwarten konnten, in der Heimat von Kathrin und Christina ihr Vorbereitungsprogramm abzuspulen.

„Wegen unserer Fotos auf Instagram wollten die Mädels so gern herkommen“, schmunzelte Kathrin. „Und wir freuten uns, denn endlich konnten wir ihnen zeigen, wie schön Tirol, unsere Heimat ist.“ 17 ehrgeizige junge Damen, bunt gemischt aus acht Nationen, von Neuseeland über Belgien, Holland, Ungarn, Schweiz, Frankreich bis Zypern – und mitten drin die Twins vom Kasbach.

Das funktionierte ohne Probleme? „Nun ja, je länger man zusammen ist, desto leichter kommt es zu Reibereien, verständlich bei so vielen verschiedenen Charakteren, unterschiedlichen Kulturansätzen“, gestand Kathrin. „Da geht man sich schon ab und zu auf die Nerven – und dann für einige Zeit eben aus dem Weg. Aus, basta. Doch am Ende des Tages, wenn es darauf ankommt, sind wir ein Team, gönnt jede der Kollegin einen Erfolg, ganz ohne Eifersüchteleien. Man muss ja nicht gleich beste Freundinnen sein!“

Wie das dafür bei Kathrin und Christina seit Beginn ihrer Karriere ganz ausgeprägt der Fall ist, wenngleich schon auch feststeht: Beste Freundinnen und auch Konkurrentinnen zu sein, ist nicht immer einfach. „Aber wir haben da einen guten Weg gefunden, können uns hundertprozentig aufeinander verlassen“, erklären die Schwestern im Brustton der Überzeugung, mit blitzenden Augen sowie schelmischem Lächeln und verweisen als beste Freundin auf Lisa Gürtler, die sie in ihren Radler-Anfangsjahren kennengelernt hatten und mit der sie heute noch so manches Trainingsfahrt starten.

Wie auch immer, der Teamchef hatte einen Volltreffer gelandet, seine Mädels waren begeistert von der breiten Palette des Angebots. „Verständlich, denn in der Ersten Ferienregion des Zillertals konnten wir uns sowohl auf flachen Talstrecken als auch auf anspruchsvollen Bergstraßen super vorbereiten“, ging Kathrin, die selbst eher unrhythmische Strecken mit kurzen steilen Anstiegen bevorzugt, ins Detail. Und das Wichtigste – der Formaufbau war perfekt. Die ÖM-Ergebnisse bestätigten quasi die Entscheidung der Belgier.

Dabei waren die beiden Tirolerinnen schon in guter Form ins Camp eingerückt, hatten unmittelbar davor zum Auftakt der Austrian Time Trial Serie beim Bergsprint auf die Postalm in Salzburg einen Doppelsieg gefeiert – da war Kathrin um den Hauch von 0,06 Sekunden schneller gewesen als Christina. Fast wie bei der Geburt am 29. Oktober 1996 … Übrigens – bei der Straßen-Staatsmeisterschaft in Mattersburg eroberte Kathrin Gold, Christina wurde Vierte. Bei den Bahn-Titelkämpfen sicherte sich – in Abwesenheit von Christina – Kathrin den Titel und belegte in der Einzelverfolgung, im Punktefahren sowie im Scratch jeweils Platz zwei, ehe die Räder – für kurze Zeit nur – ins Eck gestellt wurden.