Heim-WM wurde zur Triumphfahrt


Am Ende wurde es noch eine enge Angelegenheit ... / kristen-images.com Peter Penz / Georg Fischler / GEPA Wolfgang Kindl / GEPA

Jubelschreie ohne Ende, Freudentränen und stockende Stimmen – der erste Tag der Rodel-Weltmeisterschaft im Igler Eiskanal bescherte den österreichischen Aktiven und vor allem den Fans nebst Medaillen ein Übermaß an Emotionen.

Für den größten Gänsehautalarm sorgte dabei Wolfgang Kindl. Der Natterer, der nach seiner Goldfahrt im Sprintbewerb auf dem Podest zum „Brüller von Igls“ mutiert war, hielt dem Druck des Top-Favoriten stand und triumphierte mit 0,012 Sekunden Vorsprung vor dem Russen Roman Repilow. „Unglaublich, echt ein Wahnsinn! Ich habe gewusst, dass ich sehr gut drauf bin. Aber Weltmeister wird man nicht jeden Tag vor heimischem Publikum. Das ist eine Gefühlslage, die ist unbeschreiblich“, sprudelte es aus dem 28-Jährigen heraus.

Dass es am Ende eine ganz enge Angelegenheit wurde, nahm Kindl mit einem Schmunzeln zur Kenntnis: „In unserem Sport geht es um Tausendstelsekunden, da kann eine Hundertstel ganz schön viel sein.“ Nach diesem Krimi wurde sogar Ex-Ski-Weltmeister Stephan Eberharter zum Kindl-Fan und wollte ein Selfie mit dem neuen Rodel-Sprint-Weltmeister. Auch ÖRV-Cheftrainer René Friedl zog vor der Leistung seines Schützlings den Hut: „Noch vor drei Jahren hätte ich ihm das nicht zugetraut. Er hat mich eines Besseren belehrt.“

Über eine Silbermedaille durften sich die Doppelsitzer Peter Penz / Georg Fischler freuen. Silber, das wie Gold glänzte. Und zwar weil bei Fischler rund einen Monat vor den Titelkämpfen eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert worden war; niemand rechnete mit dem Tiroler Paradedoppel. Kein Wunder also, dass die Emotionen nach dem Vize-WM-Titel mit den beiden Routiniers Schlitten fuhren. „Ich schwebe! Eine Medaille habe ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen vorgestellt“, rang Fischler, der von Gefühlen übermannt wurde, mit den Worten. Nachsatz: „Der Puls hätte meinen Ärzten wohl nicht gefallen!“

Auch Penz kämpfte mit Freudentränen und stockender Stimme: „Wir sind überglücklich. Diese Medaille ist ganz hoch einzuordnen.“ Umso mehr, weil es danach im Doppel „nur“ zu Blech gereicht hat, die zweite Medaille um 9 Tausendstelsekunden verfehlt wurde.

Beim Sieg der Deutschen Wendl/Arlt musste das zweite ÖRV-Duo Thomas Steu / Lorenz Koller mit dem undankbaren vierten Platz vorliebnehmen. Doch von Ärger über verpasstes Edelmetall keine Spur. „Kein Frust, nur volle Freude. Wir haben vor der Saison nicht gewusst, wo wir stehen, daher ist ein vierter Platz sensationell“, war sich das Duo einig.

Lediglich im heimischen Damen-Team wurde „getrauert“. Miriam Kastlunger und Birgit Platzer mussten sich mit nur 0,042 bzw. 0,043 Sekunden Rückstand auf Siegerin Erin Hamlin (USA) mit den Rängen acht und neun zufriedengeben. Platzer vergab durch einen Fehler sogar mögliches WM-Gold.

Dieses Gold – und zwar sein zweites – holte sich dafür Wolfgang Kindl ab. Als die „1“ auf der Video-Wall im Ziel aufleuchtete, gab es kein Halten mehr. Teamkollegen, Betreuer und Trainer sprinteten los, um mit ihrem „Johnny“ zu jubeln. Inmitten der rot-weiß-roten Jubeltraube tauchte der frischgebackene Doppel-Weltmeister nach einigen Augenblicken aus dem Auslauftunnel auf, geschultert von seinen Mannschaftskameraden David Gleirscher und Jonas Müller ließ sich der zweifache Weltmeister feiern.

„Das ist die Krönung! Das ist nicht nur ein Traum, der in Erfüllung geht, das ist das absolut Größte“, rang der Natterer um Worte. Die Coolness, die ihn noch beim Triumph bei der Sprint-Entscheidung ausgezeichnet hatte, war wie verflogen. Ein unglaublicher Ballast schien von den Schultern des 28-Jährigen gefallen zu sein. „Der Druck war enorm groß. Alle haben von mir wieder den Sieg erwartet. Es war so viel los am Start, an der ganzen Bahn, das hat es nicht einfacher gemacht. Der erste Lauf war noch locker, doch dann hat das Herz ordentlich geschlagen“, gestand Kindl, der sich wie schon im Sprint vor dem Russen Roman Repilow (RUS) und dem Südtiroler Dominik Fischnaller durchsetzte.

ÖRV-Cheftrainer René Friedl zog den Hut vor seinem Schützling. „Ich bin überglücklich! Das sind ähnliche Gefühle wie bei den Olympiasiegen von den Lingers“, betonte Friedl und fügte hinzu: „Ein WM-Sieg muss immer erst geschehen. Wir standen alle zusammen unter enormem Erfolgsdruck. Lange sind wir diesen Siegen bei den Herren nachgelaufen, hatten nur Achtungserfolge. Wenn man unsere Ressourcen mit denen der Deutschen vergleicht, ist das sensationell. Jeder im Team trägt ein Steinchen zu diesem Ergebnis bei.“